Seit einigen Jahren findet jeden Frühling in Ufa das „Festival des deutschen Films“ als Teil der „Woche der deutschen Sprache“ statt.

Als „Journalist“, Deutscher und vor Allem als Filmliebhaber fiel die Entscheidung, mir das mal genauer anzusehen, nicht schwer. So habe ich mich also in der Festivalwoche vom 7.-11. April jeden Tag ins Kinotheater „Rodina“ aufgemacht, um mir meine Portion deutsches Kino abzuholen.

Nachdem ich eine ganze Woche im Kino zugebracht habe, wollte ich ein bisschen mehr über dieses Event herausfinden. Dafür habe ich Gisela Bakajewa, die Leiterin des deutschen Lesesaals in Ufa aufgesucht, von der man mir an der Universität sagte, sie habe das ganze organisiert.

Gisela Bakajewa

Guten Tag, Frau Bakajewa. Was ist ihre Aufgabe hier? Wie kommen Sie dazu die deutsche Filmwoche zu organisieren?

Offiziell bin ich hier im deutschen Lesesaal als Bibliothekarin angestellt, aber ehrlich gesagt mache ich nichts was mit der Bibliothek zu tun hat. Seit 3-4 Jahren bin ich für Projekte zuständig die sich mit Deutschland und der deutschen Sprache beschäftigen. Ich arbeite viel mit dem Goethe-Institut in Moskau zusammen, aber auch mit anderen Partnern organisiere ich Projekte und Veranstaltungen, hauptsächlich im Kulturbereich. Die deutsche Filmwoche ist vielleicht die größte von diesen Veranstaltungen, aber ich mach auch andere, internationale Projekte.

 

Findet die Woche des deutschen Films jährlich statt?

Ja, genau. Die deutsche Filmwoche gibt es jedes Jahr im Rahmen der deutschen Woche. Die deutsche Woche umfasst eine Reihe von Veranstaltungen in Ufa die mit der deutschen Sprache und Kultur verbunden sind. Es gibt verschiedene Konferenzen für Germanisten und Deutsch Interessierte, Sprachwettbewerbe wie den Dolmetscher-Wettbewerbe und kulturelle Veranstaltungen wie das deutsche Liederfestival. Aber das Filmfestival ist der Höhepunkt würde ich sagen, die umfangreichste Veranstaltung mit dem größten Publikum.

Sind sie schon immer Film interessiert oder ist das einfach Teil ihrer Arbeit?

Nein, nein, das Interesse gibt es schon lange, vor Allem für deutsche Filme, weil ich Deutsch studiert habe und das meine Haupt-Fremdsprache ist.

Wie geht die Auswahl der Filme von statten?

Ich habe die Auswahl diese Jahr ganz alleine getroffen. Der Prozess dauert für mich so ca. 2 bis 3 Wochen. Ich mache mir erst eine Kandidatenliste, das sind dann so 20-30 Filme. Dann recherchiere ich zu diesen Filmen, lese Kritiken und Diskussionen im Internet. Am Ende bleiben dann noch 12 bis 15 übrig. Ich bestelle alle diese Filme beim Film-Archiv vom Goethe Institut. Die sehe ich mir dann alle an und such davon 5 oder 6 aus, die dann bei der deutschen Filmwoche gezeigt werden. Die Filme, die ausgewählten und auch die, die es nicht geschafft haben, kann man hier bei uns im deutschen Lesesaal übrigens alle ausleihen.

Welche sind die Kriterien für die Auswahl?

Am wichtigsten ist das Thema, das Thema diesen Jahres war junges deutsches Kino von jungen Regisseuren. Die Filme die gezeigt wurden waren alle von jungen Regisseuren. Dazu sollten die Filme natürlich interessant sein, für ein breites Publikum. Wir zeigen auch immer einen Kinderfilm, dieses Jahr war das „Sergeant Pepper“. Ich mache aber keine professionelle Auswahl, ich bin kein Film-Regisseur. Am Ende suche ich die Filme aus, die ich selbst gerne sehen würde und hoffe das Andere die auch interessant finden.

Gibt es vom Goethe-Institut einen Filmkanon oder Vorschläge zur Auswahl?

Nein, da bin ich völlig frei, ich kann alle Filme bestellen die momentan im Archiv sind und das sind eine Menge.

 

Auffällig war ja das zumindest 4 der 5 Filme einen Bezug zur russischen Kultur hatten, war das auch ein Kriterium?

Nein, diese Berührungspunkte von deutscher und russischer Kultur zeigen zu wollen, war keines meiner bewussten Kriterien bei der Filmauswahl, das ist rein zufällig so gekommen.

Wie legen sie die Reihenfolge der Filme fest, gibt es da ein Konzept?

Naja, also „Goethe!“ als Eröffnungsfilm ist klar, der ist leicht und unterhaltsam. Den sehen die Leute gerne, und er führt an die deutsche Kultur als Thema heran. Dann am zweiten Tag, das war für mich klar, „Poll“. Als Eröffnungsfilm war der ein bisschen zu ernsthaft, aber er ist mein Favorit unter all den Filmen. Dann als Drittes brauchten wir wieder etwas leichteres [„Am Ende kommen Touristen“], und am vierten Tag zeigen wir traditionell dann einen politischen Filme [„4 Tage im Mai“]. Am Ende sollte dann nochmal ein leichter Film kommen, kein Drama, der die Zuschauer gut gelaunt entlässt [„Westwind“]. Und nicht zu vergessen natürlich auch was für die Kinder [„Sgt. Pepper“].

Wie war denn, mal zum Vergleich, das Programm des Festivals letztes Jahr?

Letztes Jahr war ich auch für das Filmfestival zuständig, zusammen mit der deutschen Lektorin, die wir dieses Jahr nicht hatten. Moment, ich habe ein Programm, ich hab das nicht alles im Kopf.

 

[Das Programm vom Jahr 2013:

MO „Renn wenn du kannst“ Regie: Dietrich Brüggemann;

DI „Ganz nah bei dir“ Regie: Almut Getto;

MI „Wintertocher“ Regie: Johannes Schmid;

MI„Nikolaikirche“ Regie: Frank Beyer;

DO „Das Lied in mir“ Regie: Florian Micoud Cossen;

FR „Lichter“ Regie: Hans-Christian Schmid]

 

Interessant, was das letzte Festival angeht, war das 3 Filme ohne russische Untertitel waren. Wir müssen aber alle Filme mit russischen Untertiteln zeigen, sonst könnten ja nur die Germanisten was

verstehen. Wir mussten also selbst übersetzen, das war wahnsinnig schwer. Ich habe selbst die Untertitel zu „Ganz nah bei dir“ geschrieben, Studenten haben die anderen Filme übersetzt. Wir sollten das alles in einer Woche schaffen. Da mussten wir Tag und Nacht arbeiten.

Sind die Filme im Film Archiv des Goethe-Instituts normalerweise immer untertitelt?

Es gibt beides, Filme mit und ohne russische Untertitel. Das war vielleicht ein Fehler von uns letztes Jahr, das wir Filme ausgewählt haben die teilweise ohne russische Untertitel waren. Wir hatten schon alle Flyer und Werbeartikel gedruckt, und haben das dann gemerkt. Erst haben wir überlegt ein Experiment zu machen und die Filme ohne Untertitel zu zeigen, aber die Leute von „Rodina“ haben gesagt, dann würde ja keiner kommen und sie müssten Tickets verkaufen. Dann haben wir die halt selbst übersetzt und das hat auch ganz gut funktioniert.

Ist die deutsche Filmwoche schon immer im „Rodina“ Kino?

Ja, das ist schon lange Tradition. Nur das erste Festival war nicht im „Rodina“, so viel ich weiß. Über die französischen Philologen wurde danach der Kontakt zu den „Rodina“ Leuten hergestellt, es gibt nämlich auch eine französische Filmwoche.

Ich danke ihnen für das Interview, Frau Bakajewa!

Viktor Sommerfeld, Mai 2014