Vom 3. bis 9. Dezember fand in Halle die russische Filmwoche statt. “Die beste Jahreszeit”, “Die Rückkehr der Schwalben”, “Alexandra”, “ Das Riesenrad”, “Rusalka” und “Moskau glaubt den Tränen nicht” haben für 7 Tage die Welt der kleinen Kino-Bar “Zazie” aus den Angeln gehoben.

Russische Sprache, russische Pirogen und russischer Wodka (wie wäre es ohne möglich?) haben ihre Rolle gespielt! Man hat die Filme emotionell und kommentierend gesehen und später eine halbe Stunde lang auf kleinen Sofas heftig besprochen. Da waren viele Auswanderer, die Heimweh hatten. Da waren viele Deutsche, die aus irgendwelchen für sich selbst unerfindlichen Gründen dieses riesige, kalte, aber sehr lustige Land mögen. Da waren viele Studenten, die Russland nicht nur mögen, sondern auch studieren. Und viele Worte wurden vor sich hin gesagt, manchmal kritische, manchmal entzückte. Man lachte. Und manchmal liefen heimlich die Tränen über die Wangen.

Ein neuer alternativer Film über gar keine Schwalben, ein klassisches Moskaumärchen, ein Film über einen kriegslosen Krieg – über Tschetschenien aus der Sicht von Galina Vischnevskaja und eine Geschichte eines Mädchens mit grünen Haaren, wessen Wunschträume sich immer verwirklichen und eine verzehrende, sogar verflixte Leidenschaft in einem Melodram und eine Liebesgeometrie in der besten Jahreszeit…Man kann kaum sagen, dass die Eintrittskarten ausverkauft waren. Das ist doch Deutschland. Aber die Filme brachten alle in Bewegung.

Allerdings war ich im Zazie-Club erst am zweiten Tag des Festivals. Der Film „Die Rückkehr der Schwalben“ lief an. Nordossetien. Wladikawkaz. Ein Mann in gesetztem Alter, ein Intellektueller, unterrichtet Weltliteratur an einer Universität. Junkie. Realistisch, ohne Einzelheiten. Sehr bildhaft: Laute, Bilder, Worte, Zitate…Der Hauptheld wurde letztlich gesund. Was natürlich vielen Freude machte. Alles wird wieder gut. Aber mir gefiel das nicht. Nein, der Film ist zweifellos ein Meisterstück. Alles was recht ist! Aber mir, einer Russin in einem anderen Land, fiel es schwer, solch einer „nackten“ Seite unseres Lebens entgegenzutreten. So entstehen Stereotypen. Die Deutschen, die nie in Russland gewesen sind und sich mit keinen Russen unterhalten haben, die sich einfach an diesem Tag „irgendeinen“ Film ansehen mochten, schlossen wahrscheinlich solch ein Fazit: „Dort sind sogar Lehrer Junkies“. Dieser Gedanke prägt sich ein, wurde später während einer Party Freunden gesagt…

Vielleicht irre ich mich gewaltig. Man würde lieber „Karnevalsnacht“ drehen. Trotz der Zeit hat sich nichts verändert. Es wäre lustig und leicht. Aber es wäre dann ein ganz anderes Festival…

Julia Baydzhanova, Dezember 2009