Machen wir weiter mit unserer Erkundung der Ufaer Umgebung. Diesmal ist Perm an der Reihe – eine Binnenhafenstadt an der Kama, dem größten Wolgazufluss und dem viertlängsten Fluss Europas (1.805 km). Perm liegt im äußersten Nordosten Europas und ist neben Ufa eine der östlichsten Millionenstädte des Kontinents.

Perm

Die Einwohnerzahl beträgt 989.499 (Stand 2005), wobei die Bevölkerung dieser Stadt in der postsowjetischen Epoche von Jahr zu Jahr abnahm. Dies liegt aber weniger an der Stadt, sondern vielmehr an der russlandweiten, traurigen demographischen Entwicklung. Außer Moskau kann sich fast keine russische Metropole damit rühmen, bzgl. der Einwohnerzahl „zugenommen“ zu haben.

Nichtsdestotrotz ist Perm ein wichtiges Kultur-, Bildungs- und Wirtschaftszentrum des Urals. In der Permregion wird Erdöl gefördert: Die Geschichte eines der größten Erdölkonzerne der Welt, „Lukoil“, nahm u.a. hier ihren Anfang. Wie jede „Erdölzone“ Russlands, profitiert auch Perm von der strategischen Lage. Die Stadt machte auf mich einen sehr sauberen und gepflegten Eindruck. Damit ist Perm gut mit Ufa, dem bedeutsamsten russischen Ölverarbeitungsstandort, zu vergleichen und gerät andererseits etwas in Kontrast zu den beiden anderen Uralmetropolen – den Schwerindustriestädten Jekaterinburg und Tscheljabinsk, die sichtlich mehr unter der postsowjetischen Umbruchsepoche leiden.

Auf eine große und ruhmreiche Vergangenheit kann das Permer Ballett- und Operntheater zurückblicken. Zahlreiche russische Tänzerinnen und Tänzer der Extraklasse wurden hier ausgebildet. Das Theater, das zu den ältesten Russlands zählt, ist auch heute noch ein Besuchermagnet.

Die 1922 gegründete Staatliche Kunstgalerie Perm lockt die Kunstliebhaber mit Bildern solcher Legenden, wie Ilja Repin und Iwan Schischkin.

Nicht zu vergessen ist die Bedeutsamkeit Perms als Bildungsstandort. Die Staatliche Universität Perm wurde in diesem Jahr von der Regierung der Russischen Föderation in die Liste der zu subventionierenden Universitäten aufgenommen – als einzige Uni des Urals. Das Programm soll dazu dienen, besonders innovative Universitäten im ganzen Land finanziell zu unterstützen und als Spitzenbildungsanstalten ihrer Region zu etablieren. Nur wenige Unis des Landes haben es geschafft, auf die Finanzierungsliste gesetzt zu werden und erhalten nun Subventionen teilweise in Milliardenhöhe (in Rubel gerechnet). Und die Permer Staatliche Universität ist mit von der Partie.

Das Zentrum der Stadt zeichnet sich durch eine, für russische Verhältnisse, recht ungewöhnliche Bauweise aus, zumindest was die russische Architektur der letzten Jahrzehnte betrifft. Im Stadtkern sind nämlich fast keine Hochbauten zu entdecken, was dem Zentrum einen einmaligen Charme verleiht. Von den monströsen Betonklötzen und überdimensionalen Hochhäusern anderer russischer Großstädte strapaziert, kann sich das russische Auge im Permer Stadtkern so richtig entspannen. Die Innenstadt kann man tatsächlich als „Altstadt“ bezeichnen – steinerne, meist zweistöckige Bauten vom Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts prägen die Straßenzüge. Besonders empfehlenswert ist es, die zentralen Straßen abends, wenn es bereits dunkel ist, entlang zu spazieren. Die Straßen und die Altbauten sind schön belichtet, und die ebenfalls allgegenwärtigen Grünzonen und Parkanlagen machen die Atmosphäre unvergleichlich. Es scheint, als ob man sich in einem anderen Russland befände. Das Gefühl hat man in diesem Land sowieso ständig, da es so viele verschiedene Gesichter hat. Doch hier erinnert man sich ungewollt an die imperialistische Zarenepoche und denkt, begünstigt durch die Präsenz edel anmutender Boutiquen, wie es wohl wäre, wenn die Bolschewisten den Bürgerkrieg damals nicht gewonnen hätten. Wahrscheinlich würden viele provinzielle Zentren dem Permer Stadtkern gleichen. Doch die Bolschewiki haben gewonnen, und die meisten ex-sowjetischen Städte sehen heute anders aus. Ob es gut ist, oder schlecht – diese Einschätzung bleibt jedem selbst überlassen. Ich meinerseits kann nur sagen, dass monumentale Sowjetarchitektur ebenfalls einen großen Eindruck hinterlassen kann. Und in Perm fehlt sie natürlich auch nicht; bloß hier scheint das Stadtzentrum nicht rund um die Leninstatue konzentriert zu sein.

Von Ufa aus erreicht man Perm übrigens am Besten mit dem Bus. Wenn sich jemand dennoch entschließt, mit dem Zug zu fahren, so muss er in Jekaterinburg umsteigen.

Ein weiterer Eindruck, den ich in Perm hatte, ist, dass das politische Klima in der Stadt doch recht liberal ist. Hier sind mehrere Nichtregierungsorganisationen sehr aktiv, die unter anderem wichtige Aufklärungsarbeit unter der Jugend leisten. Die Permer Zweigstelle der russlandweiten Organisation „Memorial“ organisiert zum Beispiel Aufklärungsfahrten zu den ehemaligen von Stalin errichteten GULAGs, den Symbolen des stalinistischen Terrorapparates, derer es in der Permregion sehr viele gab. Die Fahrt- und Teilnahmekosten werden dabei meist vollständig von der Organisation gedeckt. Es werden auch regelmäßig Veranstaltungen organisiert, die die Jugend auf gesellschaftspolitische und soziale Probleme aufmerksam machen sollen. Etwas, was in Ufa, ohne eine erhebliche Einmischung seitens baschkirischer Behörden, doch recht unvorstellbar ist.

Perm ist es also auf alle Fälle wert, besucht zu werden. Gönnt es euch, diese Metropole zu erkunden!

Sergey Simonov