Ich habe da so einen Alptraum: Ich lebe, arbeite, habe eine Familie, und alles, was sonst noch dazu gehört – und mein ganzes Leben ist einem stundengenauen Plan unterworfen. Alles weiß man im Voraus, alle Termine sind gesetzt, über allem herrscht der Zeitplan. Ich weiß nicht, was ihr davon haltet, aber ich wache dabei immer mit kaltem Schweiß auf.

Und für mehrere, sogar für die meisten Deutschen ist es keinesfalls etwas Schreckliches. Die Deutschen sind eine Nation von Kalendern, Zeitplänen und exakten Zeittabellen (z.B. minutengenaue Fahrpläne). Es ist „schrecklich“ mit ihnen, alles versuchen sie zu ordnen! Spontaneität hat hier keinen Platz.

Der typische Deutsche kann nie verstehen, wie man frühmorgens nicht sagen kann, was man am Abend macht. Die russische Gewohnheit mit den anderen zu telefonieren („Wo bist du?“ „Ich bin dort und dort.“ – „Und ich bin da und da, wollen wir uns vielleicht in zehn Minuten treffen?“) und inzwischen die Pläne zu verändern, ist echter Stress für einen Einwohner Deutschlands.

Eine meiner Bekannten aus Lettland sollte auf Arbeit einen deutschen Beamten kontaktieren. Sie rief in seinem Büro an. Darauf folgte das Gespräch: „Guten Tag, kann ich Herrn Müller sprechen?“ – „Leider nicht, er macht jetzt Urlaub und kommt erst in zwei Wochen.“ – „Gut, kann ich ihn dann in zwei Wochen anrufen?“ – „Es tut mir leid, aber genau nach seinem Urlaub ist er zwei Wochen krank, rufen Sie ihn lieber in einem Monat an!“. Also, ich muss sagen, die im Voraus geplante Krankheit ist selbst für Deutschland aberwitzig.

Die Deutschen sind pedantisch und pünktlich. Sie können sich einfach nicht anfreunden mit allem, was nur ungenau und ungefähr ist. Das russische „Ich-komme-in-zehn-Minuten“ heißt eigentlich „Ich komme innerhalb einer halben Stunde“. Wenn der Deutsche sagt: „Ich komme in zehn Minuten“, dann kommt er wirklich in zehn Minuten. Der Deutsche schreibt nie: Ich schätze die Höhe von diesem Mast ungefähr auf 10 Meter. Er schreibt eher: Die Höhe von dem Mast beträgt an die 10 Meter, und zwar nur aus dem Grund, weil er es nicht genauer weiß oder keine Möglichkeit hatte, die Höhe selbst zu überprüfen.

Wenn man zu jemandem zu Besuch geht oder jemanden zu sich, ins Kino oder in eine Bar einladen will, so muss man es im Voraus machen, wenigstens ein paar Tage, noch besser eine Woche, vorher. Denn ein durchschnittlicher Deutscher hat dafür einfach keine Zeit. Das heißt auf keinen Fall, dass er ständig beschäftigt ist. Sondern er hat einfach einen Plan, an den er sich ja halten muss.

Wahrscheinlich liegt in dieser Genauigkeit und ja, sogar Pedanterie eins der Geheimnisse von Deutschlands Wohlstand, das Geheimnis seines ruhigen, gemäßigten, gar bedächtigen Lebens. Das ewige russische Chaos gefällt mir viel besser. Auf alle Fälle bringt jeder Tag etwas Neues : )

D. Mukhametkulov, A. Vasiliev, 28.07.06