Nach Baschkortostan verschlägt es nicht nur Baschkirienheute-Redakteure und die Teilnehmer des alljährlichen Austausches. Die internationale Studentenorganisation AIESEC vermittelte Achmed Aschraf, einen 19-Jährigen Studenten aus Kairo, ein Praktikum in einem zweiwöchigen Jugend-Sprachlager in der Nähe von Ufa. Zu Hause in Ägypten studiert er Antike Griechische und Lateinische Literatur, doch in Russland macht er ein Praktikum als Englisch-Lehrer.

Baschkirienheute: Ein Ägypter in Russland – da scheinen zwei Welten aufeinander zu prallen. Wie kommt es, dass du dir Russland für ein Praktikum ausgesucht hast?

Achmed: Das war eher ein Zufall. Ein Freund von mir betreibt die Sportart Parkour und in Russland gibt es viele bekannte Parkour-Sportler. Weil er sie gerne live sehen wollte, entschied er sich, nach Russland zu gehen. Und ich habe gesagt, ich komme mit. Es gab also keine großen Überlegungen, welches Land am besten für mich wäre.

Baschkirienheute: Wieso bist du gerade nach Baschkortostan gekommen?

Mein Freund und ich wollten gerne zusammen ein Praktikum absolvieren. Das Projekt hier war das einzige in ganz Russland, das zwei Freiwillige gleichzeitig annehmen konnte. Nur hatte mein Freund kurz vor der Einreise Probleme mit der Einladung und wird daher in ein ähnliches Projekt nach Sankt Petersburg gehen.

Baschkirienheute: Wann bist du in Russland angekommen?

Achmed: Ich bin am 10. August in Ufa angekommen, also vier Tage vor Beginn des Sprachlagers. Deswegen hatte ich schon ein wenig Zeit, mir die Stadt anzuschauen. Die Mitarbeiterin von AIESEC in Ufa hilft mir dabei sehr viel. Sie hat mich am Flughafen abgeholt, die Registrierung für mich erledigt, eine SIM-Karte gekauft und  die wichtigsten Adressen in der Stadt gezeigt. Trotzdem fällt es mir noch ziemlich schwer mich zu orientieren.

Baschkirienheute: Wie gefällt dir das Land bis jetzt?

Achmed: Bis jetzt finde ich Russland großartig. Die Menschen hier sind sehr freundlich. Vor meiner Anreise wusste ich nicht, ob es Probleme damit geben würde, dass ich Ausländer bin. Aber das ist überhaupt nicht der Fall. Das einzige Problem, das ich habe, ist die Sprachbarriere. Ich kann überhaupt kein Russisch und Englisch kennen hier nur die aller wenigsten. Daher ist die Kommunikation sehr schwierig. Aber ansonsten gefällt es mir sehr gut hier.

Baschkirienheute: Hast du einen Kulturschock erlebt?

Achmed: Ja, auf jeden Fall. Alles ist neu für mich, zumal ich vorher noch nie im Ausland war. An meinem ersten Tag in Russland bin  ich vor Staunen mit offenem Mund durch die Straßen Ufas spaziert. Allein bei der Natur gibt es riesige Unterschiede zu Ägypten. Hier ist es so grün und es gibt so viele Bäume, was mir sehr gefällt. Auch die kulturellen Unterschiede sind wirklich groß. Russland kannte ich vorher nur aus Filmen, zum Beispiel James Bond. Man hat die typischen Vorurteile, waffenverliebte Russen und Wodka. In den nächsten Wochen möchte ich feststellen, was davon wahr ist.

Baschkirienheute: Was ist mit dem Wetter?

Achmed: Ganz ehrlich, ich hätte gedacht, es wäre kälter. Bis jetzt war das Wetter okay mit viel Sonne. Nur morgens ist es etwas kühl. Eigentlich ist es wie im Ägyptischen Winter. (lacht)

Baschkirienheute: Wie wird dein Aufenthalt in Russland finanziert?

Achmed: Von AIESEC erhalte ich eine kleine monatliche Summe, die aber nicht wirklich ausreicht zum Leben. Das Essen in Ufa zahle ich selber, das Hostel wird bezahlt. Die Flugkosten muss ich selber tragen. Dafür lebe ich hier im Sprachcamp all inclusive, Unterkunft und Verpflegung werden gestellt.

Baschkirienheute: Du bist hier als Englischlehrer tätig. Woher kannst du so gut Englisch, wo du doch Antike Griechische und Lateinische Literatur studierst?

Achmed: Meine Mutter ist Englisch-Lehrerin, von ihr habe ich vielleicht die Liebe zur englischen Sprache geerbt. In der Schule habe ich schon in der 1. Klasse angefangen, Englisch zu lernen. Aber man erlernt Fremdsprachen in ägyptischen Schulen nur rudimentär.  Das meiste habe ich aus Filmen, dem Internet und Computer-Spielen gelernt.

Baschkirienheute: Wie gefällt dir die Arbeit im Sprachlager?

Achmed: Es gefällt mir sehr gut und macht viel Spaß. Ich arbeite mit 11 bis 13-Jährigen Kindern. Man merkt sofort, dass sie wirklich Englisch lernen wollen. Die Lern-Atmosphäre ist sehr angenehm. Daher bin ich ziemlich zufrieden mit meiner Entscheidung, hierher zu kommen.

Baschkirienheute: Wie sieht dein Plan aus für die Zeit nach dem Sprachcamp?

Achmed: In Russland bleibe ich bis Ende September. Zunächst werde ich zurück nach Ufa gehen. Es gibt viel, was ich noch nicht gesehen habe. Ich möchte die Stadt erkunden, aber ich weiß noch nicht, was es alles zu entdecken gibt. Ich habe aber bereits Freunde in Ufa, die mir das Leben leichter machen. Und ich muss jede Menge Souvenirs kaufen für meine Verwandten und Freunde in Ägypten. Außerdem werde ich nach Sankt Petersburg fahren, um meinen Freund aus Ägypten zu besuchen.

Baschkirienheute: Hast du in Zukunft vor, mal wieder nach Russland zu kommen?

Achmed: Ich möchte schon wieder kommen, aber ich möchte auch andere Länder sehen. Russland ist gut, aber andere Länder werde ich zuerst besuchen. Denn ich möchte immer erst neue Sachen entdecken. Mein Traum ist es, nach London zu fahren.

Baschkirienheute: Natürlich interessiert mich auch die gegenwärtige politische Situation in Ägypten. Wie schätzt du persönlich die Lage ein?

Achmed: Nun, ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Medien die Dinge krasser darstellen als sie wirklich sind. Eigentlich waren die letzten Tage vor meiner Abreise gut. Aber einige Dinge haben sich seitdem verändert. Es gibt mittlerweile eine Ausgangssperre, das hab ich nicht mehr mitbekommen. Ich telefoniere oft mit meiner Familie und meinen Freunden in Ägypten, die mich auf dem Laufenden halten. Es gibt große Demonstrationen der Muslimbrüder und die Armee versucht, den Widerstand zu brechen. Dies geschieht überall in Ägypten, aber vor allem in Kairo, meiner Heimatstadt. Natürlich ist jetzt nicht die beste Zeit, um Ägypten zu besuchen. Aber normalerweise beruhigen sich die Dinge wieder nach einiger Zeit.

Baschkirienheute: Wie sieht momentan das Alltagsleben in Kairo aus? Ist es gefährlich?

Achmed: Es ist zwar kein normales Alltagsleben, aber das soziale Leben geht weiter, zum Beispiel der Universitätsalltag. Kurz vor meiner Abreise musste ich nochmal zur Uni, um ein Dokument abzuholen. Eine große Demonstration fand vor dem Hauptgebäude statt, doch es gab keine Probleme, das Gebäude zu betreten. Ansonsten ist aber viel geschlossen. Die Zivilisten versuchen sich in Krisenzeiten selber zu helfen. Sie fangen an, ihre Häuser zu verteidigen und sind bereit, sich zu wehren. Wenn man aber aufpasst, wird einem nichts passieren. Man darf es nicht darauf anlegen. Die Dinge hängen in der Luft. Niemand weiß so genau, was als Nächstes kommt.

Baschkirienheute: Vielen Dank für das Gespräch. Für die Zukunft alles Gute und noch eine schöne Zeit in Russland!

Das Interview wurde auf Englisch geführt.

David Witkowski, August 2013