Fragt man russische Studenten, welches Fest am 25. Januar in Russland gefeiert wird, muss man sicher nicht lange auf eine Antwort warten, denn es ist ihr Tag – auch wenn er besser bekannt ist als „Tatjanas Tag“. Fragt man aber nun, wer diese ominöse Tatjana ist, schaut man plötzlich in verdutze Gesichter und bekommt die Antwort: „Keine Ahnung, ist doch aber auch egal.“ Manche wissen noch, dass an diesem Tag im Jahre 1755 die Lomonossow-Universität in Moskau und damit die erste in ganz Russland gegründet wurde.

So weit so gut. Aber was hat das ganze nun mit Tatjana zu tun?

Ursprünglich feierte man nach dem alten, Julianischen Kalender, am 12. Januar (und nach dem Gregorianischen eben am 25.) den Tag der der Heiligen Großmärtyrerin Tatjana. Sie lebte im 2. bis 3. Jahrhundert und war eine glaubensstarke Christin, wofür sie von einem Gericht in der Zeit der Christenverfolgung zum Tode verurteilt wurde. Sie hat also ursprünglich nichts mit den Studenten Russlands zu tun.

Erst 1755 erhielt der heutige Feiertag seine eigentliche Bedeutung. Am 12. bzw. 25. Januar dieses Jahres unterschrieb Kaiserin Elisabeth, Tochter Peter des Großen, einen Erlass zur Gründung der Moskauer Universität. In die Tat umgesetzt wurde das Vorhaben von General Iwan Schuwalow, dessen Mutter Tatjana hieß. Und da er ihr eine Freude machen wollte, schenkte er ihr kurzerhand eine Universität zum Namenstag. Seit dem gilt die heilige Tatjana auch als Patronin aller Studenten.

Da Russen bekanntlich gerne feiern, wird natürlich auch dieses Fest zum Anlass genommen, um zu tanzen, zu singen und vor allem zu trinken. Auch in der Baschkirisch-Staatlichen Universität (BGU) in Ufa ließen sich die meisten Studenten nicht von den noch bevorstehenden Prüfungen abhalten und präsentierten ihre Fakultäten im Foyer des Hauptgebäudes. Da konnte man klassische baschkirische Spezialitäten am Stand der geschichtlichen Fakultät probieren, Nationaltänzen bei der philologischen Fakultät bestaunen und angeblich eigens aus Deutschland beschafften Johannisbeerkuchen bei den Germanisten genießen.

Das Besondere an diesem Tag ist, dass laut Tradition Hierarchien keine Rolle spielen, da sich auch Professoren an ihre Studienzeit erinnern. Und so ließ sich der Rektor der BGU, Muchamet Charrasow, herab, seinen Studenten Tee auszuschenken – so zu sagen als Wiedergutmachung für das zurückliegende anstrengende Jahr.

In einer anschließenden Rede im Festsaal der Uni gratulierte er allen dann noch einmal ganz herzlich zum Ehrentag, der auch immer genutzt wird, um herausragende Persönlichkeiten des vergangenen Jahres zu ehren. Sei es der beste Nachwuchswissenschaftler, der Student oder der Sportler des Jahres 2006 – alle durften sich eine Blume, einen Pokal und ein gerahmtes Diplom abholen. Abgerundet wurde diese Festveranstaltung natürlich wie immer mit Tänzen in bunten Kostümen und viel Gesang.

Und wenn dann am Montag schließlich alle Prüfungen endgültig überstanden sind, geht es in die wohlverdienten Ferien, bevor im Februar in ein neues, anstrengendes Jahr gestartet wird.

Elisabeth Lehmann, Januar 2007