Ein Abend im Baschkierischen Staatsballett gestaltet sich gewöhnlicherweise als ruhiger Abendausklang, bei welchem man die Gedanken treiben lassen kann, da die Geschehnisse auf der Bühne diese sowieso einfangen und in gewollte Richtungen lenken. Die Bilder, die sich einem offenbaren handeln von Liebe und Schmerz, Hoffnung und Verzweiflung, sie sind klar und eindeutig mit leuchtenden, angenehmen Farben gezeichnet. Was fehlt, ist Leidenschaft und Gefühl in den Augen der Tänzer, Euphorie und Aufregung im Zuschauersaal und das dieses Zusammenspiel eine Stimmung zaubert, die den Abend einzigartig erscheinen lässt.

Welch ein Glück ist es, dass es einmal im Jahr die Gelegenheit gibt, diese Elemente, die dem Tanz eine Seele geben, beim Internationalen Tanzfestival zu Ehren Rufolf Nurejews, der nahe von Ufa geboren wurde und im Baschkierischen Staatsballett zu tanzen begann, zu erleben. Bereits zum 14. Mal ehrt man auf dieses Weise einen der größten und bekanntesten Tänzer der Welt, welcher erkannte, dass die Schönheit und Besonderheit des Tanzes nicht in der Perfektion liegt, sondern in den Flammen unseres inneren Feuers, welches die gewöhnlichen Geschichten, die das Leben schreibt, ungewöhnlich aufflammen lässt.

Die Tänzer, die während dieses Festivals aus Moskau, St. Petersburg, Spanien und Deutschland anreisten, um gemeinsam mit dem Ensemble des Baschkirieschen Staatsballett Ballettklassiker wie „Giselle“, „Schwanensee“ u. a. vorzuführen, schufen in diesem Jahr erneut solch ein Feuer, begeisterten den Saal und ließen den Abend nicht ruhig, sondern bewegt ausklingen.

Zudem gab das Festival in diesem Jahr die Möglichkeit, die Besonderheiten des modernen Balletts zu erkennen. Ein Ensemble aus Italien, welches mit seinen modernen Ballettstücken schon die ganze Welt bereiste, wurde nach Ufa eingeladen und begeisterte das Publikum durch die die Vielfältigkeit des modernen Tanzes, welcher die klaren klassischen Formen aufhebt und neue konstruiert, welche Raum für verschiedene Interpretationen schaffen. Auch den Gedanken wurde Raum gegeben, mit der Musik trieben sie, verließen Ort, Zeit und Raum und kehrten erst nach der Vorstellung langsam zurück.

Es erscheint als Glück, dass es eine solches Festival hier in Ufa gibt, dass weltbekannte Tänzer anreisen und auftreten, aber gleichzeitig zeigt es auch, dass es hier in Ufa scheinbar keine Möglichkeiten gibt solche grandiosen Tänzer zu halten und dass die Talente, die einst in Ufa Ballett lernten, ein Engagement in Moskau oder St. Petersburg  anstreben, und nicht in Ufa. Vergessen haben sie Ufa und die Anfänge ihrer Karriere aber scheinbar nicht, denn zum Festival kehren sie zu ihren Wurzeln zurück und schaffen durch die Erinnerung Bewegung. Bewegte Bilder. Bewegte Momente. Bewegte Gedanken.

Julia Glathe, Juni 2008