Wie schön ist es nach 4 Monaten in der Fremde – die jedoch in dieser Zeit schon zur Heimat geworden ist – altbekannte Gesichter zu sehen: Ich hatte Besuch von meiner Familie aus Berlin. Lange habe ich überlegt, was man ihnen in Ufa alles zeigen kann und muss. Nachdem ich anfangs befürchtet hatte, die vier Tage ihrer Anwesenheit nicht vollends füllen zu können, hatte ich ein Programm zusammengestellt, welches ihre Zeit hier vollkommen abdeckte. Doch ich hatte nicht mit dem Zufall gerechnet…

Ein ganz besonderes, wenn auch nicht unbedingt touristisches Erlebnis, welches uns einen Tag meiner Tourplanung kostete, bescherte uns der Verlust des Portemonnaies meiner Mutter. Ein Umstand, der nicht nur äußerst unangenehm und ärgerlich, sondern auch mit behördlichem Aufwand verbunden war. Meine erste Hoffnung, die Angelegenheit (unter Mithilfe meines russischen Mitbewohners) relativ unkompliziert am Telefon klären zu können, zerschlug sich bei den Worten „Sie kommen dann vorbei um die Personalien, etc. … aufzunehmen“.

Also setzten wir uns und warteten… und warteten…

Nach der ersten Stunde fragte ich meinen Mitbewohner, ob denn eine Angabe über den Zeitpunkt des Eintreffens der Beamten gemacht worden wäre, woraufhin er grinsend erwiderte, dass die ‚Mindestwartezeit’ eine Stunde betrüge – gut, diese 1 Stunde war also schon mal um. Und wir warteten weiter…

Langsam fingen wir an es uns gemütlich einzurichten, tranken Tee und schauten Photos an. Die Wohnung verlassen konnten wir nicht: Ich nicht, weil ich als Übersetzer fungieren musste; meine Mutter nicht, weil sie die Betroffene war und meine Schwester nicht, weil sie kein Russisch spricht.

Also warteten wir weiter… Nach weiteren 3 Stunden suchte ich Rat bei einer deutschsprechenden Freundin, die sich anbot, erneut bei der Polizei anzurufen, um nach dem Stand der Dinge zu fragen. Sie meldete sich mit der uns hoffnungsvoll stimmenden Aussage zurück, dass jetzt ein Beamter losgeschickt würde.

Frischen Mutes warteten wir weiter… und weiter… Nachdem auch in den folgenden 2 Stunden noch immer nichts geklärt worden war, gab uns meine Freundin den Tipp, von der Hotelrezeption aus anrufen zu lassen. Ein Hinweis, den wir sofort in die Tat umsetzten. Und siehe da: Nach nur 20 Minuten fanden sich zwei Beamte im Hotel ein. Ein Umstand, der uns nach 5 Stunden Wartezeit kalt überraschte – mit offizieller Hilfe ging es nun doch deutlich schneller! Das bereits bestellte Abendbrot und unsere knurrenden Mägen mussten weiter warten…

Auf dem Revier erwarteten uns dann noch einige interessante Erfahrungen und Schwierigkeiten, was allerdings auch großteils meiner sprachlichen Unsicherheit zuzuschreiben ist. Jedoch würde sich eine solche Angelegenheit vermutlich auch in Deutschland als kompliziert erweisen. Da ich jedoch bis jetzt noch keine derartigen Erfahrungen gemacht habe, fehlt mir an diese Stelle der Vergleich.

Zuerst wurden wir, am Wärter vorbei, durch ein Drehkreuz in den ersten Gang gelotst. Von hier aus führte uns unser Weg über unzählige Flure, Treppen, Kellergänge; über Höfe, Treppen hinauf und hinab bis wir endlich im Bearbeitungszimmer angekommen waren. Dort saß an einem der beiden Tische eine weitere, akkurat manikürt und frisierte Beamtin, deren Aufgabe uns nicht so recht klar werden wollte. Abgesehen von einigen Zeilen, die sie in ein Formular übertrug, verbrachte sie den Großteil der Zeit damit, meine Mutter und mich zu taxieren, was mich in meiner sowieso angespannten Gemütslage noch mehr irritierte. Zwischendurch meldete sich ihr Handy im neusten Techno-Klingelton. Hinzu kam, dass wir seit der Abfahrt aus dem Hotel von einem jungen Mann im Muskel-Shirt auf Schritt und Tritt begleitetet wurden, der abgesehen von einem frischen Veilchen auch einen undefinierbaren Geruch an sich hatte. Dieser, in seiner Funktion uns völlig unklare Mann, warf ab und zu Kommentare ein, die ich nicht verstand und die mich zusätzlich irritierten.

Letztendlich haben wir aber alles erreicht was wir wollten: Ein offizielles Dokument mit Stempel und Unterschrift! Noch dazu konnte ich, nachdem die Polizeibeamtin ab und an bei Unklarheiten meinerseits schmunzelte und sichtlich bemüht war, mir Worte, die ich nicht verstand, zu erklären, an diesem Tag ein wenig meine Angst vor der russischen Polizei ablegen. Es dauerte dann noch ca. 20 – 30 Minuten, bis ein passendes Auto, inklusive Fahrer und Begleitperson, frei wurde, das uns zum Hotel zurückbrachte. Diese Zeit, die wir im Vorraum des Polizeireviers ausharren mussten, kam uns aber nach einem ‚Tag des Wartens’ nahezu wie eine Kaffeepause vor.

Ulrike Geier, Juli 2008