„Toilettenpapier ist Papier, zur Bewahrung der Hygiene nach dem Stuhlgang oder dem Harnlassen“ – so wird in der russischen Version von Wikipedia Toilettenpapier definiert. In der deutschen Ausgabe hingegen ist nicht einfach von „Papier“ die Rede. Nein! Hier wird stattdessen das Wort „Tissue-Papier“ verwendet. Dabei handelt es sich – auch das erklärt Wiki sofort – „um ein saugfähiges, feingekrepptes Hygienepapier aus Zellstoff“. Hat dieser kleine aber feine Unterschied in der Wortwahl einen tieferen Hintergrund?

Heute erscheint es uns in Deutschland als Selbstverständlichkeit, dass wir nach dem „Geschäft“ zu einer kleinen Papierrolle greifen, uns ein paar vorgestanzte, drei- oder vier-lagige Blättchen abreißen und uns damit ausgiebig rektal putzen. Springt man in der Geschichte um einige Jahrhunderte zurück, so stößt man diesbezüglich allerdings auf Verhaltensweisen, die etwas befremdlich anmuten. Neben der bloßen Hand verwendete man früher zum Abwischen des Hinterns auch gerne einmal alte Lumpen, Maiskolben oder – und das klingt in der heutigen Zeit ziemlich verrückt – lebendiges Federvieh. Ab dem 19. Jahrhundert kam dann die Zeitung ins Spiel. Mit der Erfindung der Schnellpresse wurden Zeitungen für Jedermann erschwinglich. Beim Toilettengang erfüllten sie dann nicht nur eine unterhaltende Funktion. Der Herausgeber der US-Magazins „Old Farmer’s Almanac“, Robert B. Thomas, erkannte diesen Trend und ließ in den 1840er Jahren ein Loch in die Hefte stanzen. Die Leser konnten es nun mit einem Nagel an der Wand befestigen und es sowohl als Spender für Lesestoff wie für Toilettenpapier benutzen. Erst im 20. Jahrhundert führte der Weg über raues Krepppapier schlussendlich zum viel weicheren Tissue-Papier.

In Russland ist das Thema „Wischkomfort“ bis heute eher von untergeordneter Bedeutung. Zu Sowjetzeiten musste wegen allgemeinen Papiermangels oft noch auf Zeitungspapier ausgewichen werden. Heute gibt es neben den drei- und vier-lagigen Ausführungen zu sehr hohen Preisen hier eine große Auswahl an oft grauem, krepppapierartigem Toilettenpapier, welches dann auch im russischen Normalhaushalt sehr häufig zu finden ist. An Vielfalt mangelt es bei diesen eher unluxuriösen Klopapiersorten allerdings nicht. Mit oder ohne Papprolle, elastisch wie Gummiband und löchrig oder hart und krümelig, mit Noppen oder ohne, wegspülbar oder mit Schwimmbojenqualität, diverse Pastelltöne, all das steht zur Auswahl. Wer soll da durchschauen, was wirklich das Beste für seinen Popo ist und gleichzeitig den Preis im Auge behalten?

Baschkirenheute ist wie immer bemüht, seinen Lesern das Leben leichter zu machen und hat deshalb in einem mehrmonatigen Test 15 verschiedene Sorten Toilettenpapier auf Herz und Nieren geprüft, darunter 13 preiswerte Fabrikate von russischen Herstellern, ein teureres schwedisches Produkt und – um auch den Vergleich zur guten alten Zeit zu ziehen – Zeitungspapier.

Jede der Toilettenpapiersorten musste sich von einem deutsch-russischen Testteam in acht Kategorien bewerten lassen. Beurteilt wurden dabei der optische und manuelle Ersteindurck – man will sich ja schließlich auf das Abwischen freuen, die Wegspülbarkeit und die Portionierbarkeit, also ob man nach dem Abreißen von der Rolle ein funktionsfähiges Stück Papier in der Hand hält, oder nur einen unzureichend geeigneten Fetzen. Ebenso untersucht wurde, ob das Papier während des Wischens dem Druck der Finger standhält und auch die Ergiebigkeit floss in die Bewertung mit ein. Am allerwichtigsten waren jedoch das Wischgefühl und der Preis.

Das Ergebnis ist – was den Komfort betrifft – wenig erstaunlich. Das teuerste Papier im Test, eine Rolle „Deluxe“ der Marke Zewa, schmiegte sich mit Abstand am sanftesten an die Redaktions-Pos. Trotz des Preises von 22,50 Rubel (ca. 0,60 €) pro Rolle und trotz der eher mageren zwei Lagen, belegt es damit den ersten Platz.

Als nächstes folgt dann allerdings eine Überraschung. Der Preis von 6,50 Rubel (ca. 0,17 €) ist einer der kleinsten im Feld. Die freundlich-grüne Verpackung schürt Hoffnung. Der erste Eindruck ist aber eher ernüchternd – farblos, einlagig, so dünn, dass man schon durchschauen kann. Der Gebrauch verblüfft. „Grau, aber ohoo!!“, schreibt jemand auf seinen Bewertungsbogen. Platz zwei für „Первая Потребительская на втулке“ (Das erste Konsumtoilettenpapier auf der Rolle).

An diese erst- und zweitplatzierten Fabrikate schließt sich ein Mittelfeld an, in dem zwar die meisten Papiere mit Spottpreisen glänzen können, dem Po aber qualitativ wenig bis nichts zu bieten haben. Am besten schneidet hier noch die Marke „Светогорский Стандарт“ (Der Standard aus Svetogorsk) ab. Sie ist in mehreren blassen Farbtönen zu haben, wie etwa lachsrosa oder türkis, bekommt insgesamt die Schulnote 3 und kostet 6,40 Rubel (ca. 0,16 €).

Viele der getesteten Toilettenpapiere haben allerdings schwere Mängel, die auch durch den kleinen Preis nicht zu rechtfertigen sind. Das „MilaЯ Туалетная Бумага из зеллюлозы“ (Kleines Toilettenpapier aus Zellulose) zum Beispiel ist nicht wegspülbar. So bleibt immer eine kleine Überraschung für den nächsten Toilettengänger übrig und als besonderes Extra kleben die Papierflocken auch in der Bürste fest, wenn man deren Dienste einmal in Anspruch nehmen muss.

Ebenfalls nicht zu empfehlen sind die Marken „Нежность“ (Zartheit) und „!недорогая туалетная бумага“ (Billiges Klopapier). Diese Toilettenpapiere krümeln beim Abreißen. Auf dem Fußboden sammeln sich dann Unmengen an grauen Flocken, sodass man das Bad täglich ausfegen muss, um die Brocken nicht in der gesamten Wohnung zu verteilen.

Noch hinter das Zeitungspapier auf die letzten beiden Plätze kommen „Туалетная Бумага надежная“ (Zuverlässiges Toilettenpapier) und „2слоиная“ (Das Zweilagige). Deren Gebrauch ist schlicht schmerzhaft. Mit den sehr rauen bzw. genoppten Oberflächen haben diese beiden Sorten das Prädikat „Toilettenpapier“ nicht verdient. Das Zeitungspapier hingegen ist gar nicht so unangenehm, wie man vielleicht denken mag. Allerdings ist es schlecht saugfähig und die allzu glatte Oberflächenstruktur verzögert den Wischvorgang unnötig, da bei einer Wischbewegung nur sehr wenig abgetragen wird.

Ob der kleine Unterschied zwischen den Wikipedia-Definitionen nun vielleicht dadurch zustande kommt, dass die russischen Autoren mit „Tissue-Papier“ noch keine Erfahrungen gesammelt haben, oder ob sie ihre Arbeit in diesem Fall einfach etwas weniger detailverliebt verrichtet haben, bleibt offen. Sicher ist aber, dass das Testteam bei keinem der untersuchten Toilettenpapiere so zufrieden lächeln konnte, wie der flauschige Braunbär aus der Fernsehwerbung. Wer mehr Luxus für den Po will, der muss in Russland wohl oder übel etwas tiefer in die Tasche greifen, als wir es für unseren Test getan haben.

Tobias König, Juni 2010