Wer die lange Reise bis nach Ufa erst einmal unternommen hat, der sollte dafür auch einiges geboten kommen und die Gelegenheit nicht ausschlagen, ein wenig die Umgebung zu erkunden. Denn es lohnt sich auf alle Fälle. Und mit Umgebung meine ich nicht nur einen Umkreis von 50 Kilometern, sondern die angrenzenden Gebiete. (Anm.d.Red.: Die Ufaer und Kasaner halten voneinander etwa genauso viel, wie Leipziger und Hallenser oder Kölner und Düsseldorfer… ;o) )

So unternahm ich schon einige Reisen, von denen ich ein wenig berichten möchte.

Fangen wir an mit Kasan, der Hauptstadt der Republik Tatarstan, die hinsichtlich ihrer geschichtlichen und kulturellen Bedeutung gleichrangig neben Moskau und St. Petersburg steht. Wir fuhren mit dem Bus acht Stunden für 600 Rubel (18 €) in die im Jahre 1005 gegründete Millionenstadt, das bedeutendste Kulturzentrum an der Wolga. Dort angekommen war es früh, sehr früh am Morgen und die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen. Dementsprechend war es auch sehr, sehr kalt und natürlich suchten wir vergeblich nach einem Geschäft, wo man sich aufwärmen konnte. Der Ort glich einer Geisterstadt. Außer ein paar Tataren, die Schnee schippten, war auf den Strassen niemand anzutreffen.

Blick auf die Kreml

Um nicht an Ort und Stelle festzufrieren, machten wir uns los, auf einen kleinen Stadtrundgang. Umgeben von einer beruhigenden Stille konnten wir den Eisfischern zuschauen, die sich um diese Zeit auf den Weg auf das Eis machten. Aber darauf, die Sonne zu Gesicht bekommen, konnten wir vergeblich warten, denn sie wurde den ganzen Tag von dicken Schneewolken verdeckt. Aber dennoch wurde es heller, und nachdem wir fast schon die gesamte Innenstadt besichtigt hatten, fanden wir, vollkommen durchgefroren, ein geöffnetes Café, in dem wir erst einmal ordentlich frühstückten.

Kirche

Nachdem wir wieder unter den Lebenden weilten, machten wir uns auf den Weg noch einmal all die Plätze, die wir am Morgen im Schnelldurchlauf gesehen hatten, in Ruhe zu besichtigen und stellten fest, dass es in Kasan sehr viele wunderschöne Kirchen und Moscheen gibt, aber auch viele verfallene Gebäude. Dieser Gegensatz begleitete uns den gesamten Tag. Das Stadtbild ist gekennzeichnet durch auffällig viele Ruinen, während die Stadt aber andererseits durch pompöse Neubauten und wahnsinnig viele Kasinos auf ihren finanziellen Status aufmerksam machen zu wollen scheint.

Mosche „Kul-Scharif“

Die wohl bekanntesten und eindrucksvollsten Sehenswürdigkeiten Kasans sind der weiße Kreml, der als einer der schönsten überhaupt gilt und in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen worden ist, und die im Sommer 2005 eröffnete größte Moschee Europas.

Schöne an der Stadt ist, dass man auf keine öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen ist, obwohl Kasan seit seinem 1000-jährigen Jubiläum 2005 sogar eine U-Bahn besitzt. Wir verbrachten einen Tag in der Stadt und konnten zu Fuß alle Kirchen und Moscheen der historischen Innenstadt ohne Probleme für uns erschließen. Aber auch die Baumannstrasse, die Fußgängerzone Kasans, spazierten wir einige Male entlang, und der Universität, in der bereits Lenin studiert hatte, statteten wir einen Besuch ab. In Kasan wurde bereits 1804, nach Moskau und St. Petersburg, die dritte Universität in Russland gegründet.

Das zerstörte Gebäde des Hotels „Kasan“

Abends kamen wir dann von einem Tag an der kalten Winterluft erschöpft am Bahnhof an und freuten uns auf die Nacht in einem schön warmen Bus. Die Fahrkarten hatten wir unmittelbar bei unserer Ankunft schon gekauft, damit wir nicht irrtümlicherweise in Kasan zu viel Geld ausgeben. Aber…das Leben ist voller Überraschungen und so sagte man uns, nach verzweifelten Versuchen unseren Bus zu finden, dass wir doch bitte mal unsere Fahrkarten richtig lesen sollten. Denn da stand 6 Uhr…ja sechs Uhr und nicht 18 Uhr. Das hieß also: Unser Bus war abgefahren. Hmm…super. Naja, wenn man uns am Schalter die falschen Tickets verkauft, können wir ja nix dafür und wollten sie umtauschen und mit dem nächtsen Bus schnellstmöglich nach Hause fahren. Aber diesen Wunsch in die Tat umzusetzen, gestaltete sich schwieriger, als gedacht.

Kirche Nr. 2

Denn wir konnten die Fahrkarten weder umtauschen, noch bekamen wir unser Geld zurück. Ja…der russische Service ist überwältigend und vor allem der an Bahnhöfen. So leicht ließen wir uns aber nicht abspeisen, denn was sollten wir machen. Bus oder Zug fuhren erst am nächsten Morgen wieder. Mal davon abgesehen, dass unser Geld sowieso nicht für drei neue Fahrkarten reichte, wollten wir keine Nacht in diesem Bahnhof verbringen. Ich glaube, wir hätten es auch nicht so gut überlebt, denn er war weder geheizt, noch war ein abgeschlossener Raum. Also blieb uns nichts anderes übrig, als den lieben Damen ein wenig Druck zu machen und auf die Tränendrüse zu drücken. Als wir dann auch noch erwähnten, dass wir aus Deutschland kommen und ohne unsere Eltern in Russland sind, es also keinen gibt, der uns abholen oder helfen könnte, machten sie einige Anrufe, und plötzlich bekamen wir dann die Hälfte des Geldes für die Fahrkarten wieder, und uns wurde für die Nacht sogar noch ein Zimmer für drei Euro pro Person angeboten.

Am nächsten Morgen stiegen wir mit der Hoffnung, dann endlich in acht Stunden in unserem Bett liegen zu können, glücklich in den Bus. Aber denkste….nur weil die Hinfahrt acht Stunden dauerte, muss das noch lange nicht heißen, dass die Rückfahrt nicht um einiges länger sein kann. Nach 10-11 Stunden wurden wir dann aber langsam stutzig, da wir unser altbekanntes Ufa nicht so recht erkennen konnten und uns dachten, 3 Stunden Verspätung ist ja schon eine ganze Menge. Also fragten wir nach, und uns wurde bestätigt, dass wir uns schon im richtigen Bus befänden, uns aber noch eine Weile gedulden sollten. Eine Weile hieß in diesem Fall noch 5 Stunden. Alles in allem waren wir dann abends um 10 ausgehungert in Ufa. Ja, wer hätte gedacht, dass eine 8-stündige Hinfahrt eine 16!!- stündige Rückfahrt bedeuten kann!??

Der Ausflug hat sich aber auf alle Fälle gelohnt, und wem die Gelegenheit geboten wird, die Stadt zu besuchen, der nehme sie wahr. Kasan ist eine wunderschöne Stadt, und obwohl die überwiegend muslimischen Tataren inzwischen nicht mehr das multikulturelle Stadtbild bestimmen, ist doch ein Hauch von Orient erhalten geblieben.

Katrin Hennig, 6. Juli 2006