Der Stadtteil Silberhöhe wurde in den Jahren 1979 – 1991 gebaut

Deutschland ist nicht nur das Land der alten Festungen und Schlösser, Fachwerkhäuser und klassischen Bauten, sondern auch das Land vieler verlorener Häuser. Fast in jeder Stadt Ostdeutschlands gibt es Stadtteile, wo ganze Häuser oder sogar Straßen leer stehen. Das ist das Erbe der DDR. Damals wurden in großem Maße staatliche Wohnungen gebaut, vor allem waren es mehrstöckige Hochhäuser. Und seiner Zeit empfand man als großes Glück, eine Wohnung in einem solchen Haus zu bekommen.

Nach der Wiedervereinigung haben die Hochhäuser ihre frühere Attraktivität verloren. Und das abgesehen davon, dass die meisten Häuser saniert wurden: Bäder und Küchen neu ausgestattet wurden, die Schall- und Wärmedämmung verbessert wurde. Die unpersönlichen grauen Fassaden und Standardbalkons wurden bunt angemalt. Neue Einkaufszentren wurden in diesen Stadtvierteln gebaut. Aber das war alles umsonst. Die Leute zogen aus, und immer mehr Häuser standen leer. Ihr Anteil beträgt 13% in ganz Ostdeutschland und in einigen Regionen erreichte dieser Wert sogar 30% der Wohnhäuser. Der Hauptgrund dafür ist der Wegzug der Einwohner gen Westen. Nach der Wende wurden viele Betriebe geschlossen, die Leute haben ihre Arbeitsplätze verloren und wollten ein besseres Leben bei ihren kapitalistischen Brüdern suchen. Dazu konnte man dort vermeintlich viel mehr Geld verdienen als im Osten.

Diese Situation ist auch für die Stadt Halle typisch. Hier wurden die Chemischen Werke Buna geschlossen und in den Leuna-Werken Arbeitsplätze abgeschafft. Danach fing die Bevölkerungszahl an stark zu sinken. Zum Beispiel lebten 1990 im Stadtteil Silberhöhe 39 Tausend Einwohner, wogegen es heute nur 17 Tausend sind.

Viele tauschten die Wohnungen in den Hochhäusern gegen solche gut sanierten Altbauten in der Stadtmitte oder gegen Einfamilienhäuser am Stadtrand ein. Das Wohnen in neuen Stadtteilen wurde nicht nur unbeliebt, sondern auch gefährlich. Hier blieben vor allem alte Leute und Menschen mit geringem Einkommen, Arbeitslose und Aussiedler. Im Endeffekt verwandelten sich die Stadtteile mit DDR-Hochhäusern zu den sozialschwachen Zentren. In Halle ist das besonders für die Halle-Neustadt und die Silberhöhe charakteristisch.

Außer den oben genannten Gründen spielten auch die sinkenden Geburtzahlen ihre Rolle. In Ostdeutschland ist dieser Wert heute niedriger, als selbst in den Kriegsjahren des XX. Jahrhunderts.

So sah Hanoierstraße im Jahr 1998 aus

Selbst die niedrigen Mieten können keine Einwohner für diese Wohnviertel gewinnen. So kostet zum Beispiel die Miete in den Hochhäusern 2,5 Euro pro Quadratmeter, während sie im Stadtzentrum 8-12 Euro ausmacht. Man versteht, dass der Gewinn der Eigentümer von den Hochhäusern nicht der Rede wert ist. Dafür steigen jährlich die Verluste. So bringt eine leer stehende 55 m2-Wohnung jährlich einen Verlust in Höhe von 1920 Euro.

Und so sieht Hanoierstraße heute aus

Nun wurde von der deutschen Regierung ein Programm verabschiedet, das den Abriss leer stehender Häuser vorsieht. Zuerst versuchte man das zu verschweigen. Und als im Stadtteil Silberhöhe 11-geschössige Gebäude abgerissen wurden, haben die Einwohner ihr Missfallen geäußert und Briefe an verschiedene Behörden geschrieben. Jetzt wurde der Abriss zum Alltag und niemand bemerkt es mehr.

Zuerst wurden in Silberhöhe 11-geschössige Gebäude abgebrochen

Die Häuser abzureißen erwies sich als nicht billig. Die Abbruchkosten pro 1 m2 betragen in Halle 45 Euro. Für eine leere Wohnung mit 55 m2 werden 2.400 Euro ausgegeben. Das ist zwar mehr als der jährliche Verlust in Höhe von 1920 Euro, dafür bringt die Wohnung aber keine zukünftigen Verluste mehr und mit Hilfe der Sonderprogramme kann man sogar alle Altschulden abschreiben lassen. So ergibt sich, dass es günstiger ist, die Wohnungen abzureißen, als sie, in der Hoffnung, dass jemand dort einzieht zu behalten. Von den 15 Tausend Wohnungen im Stadtteil Silberhöhe sollen 7 Tausend abgerissen werden.

Anwohner pflanzen Bäume

Bund und Länder fördern diese Maßnahmen. Zum Beispiel gibt es eine Menge Förderprogramme, wie z.B. den „Stadtumbau Ost“. Die Wiederaufbaubank gewährt Kredite mit günstigen Zinsen für den Abriss der alten und leer stehenden Häuser sowie für die Sanierung und Restaurierung der Gebäude im Stadtzentrum.

Auf den freigewordenen Flächen werden Grünanlagen angelegt und Parkplätze gebaut. In der Silberhöhe werden wieder Wälder wachsen. In diesem Jahr haben die Stadteinwohner zum 1200-jährigen Jubiläum von Halle 1200 Bäume gepflanzt. So kann es in naher Zukunft möglich sein, dass das Land der verlorenen Häuser zum Land der endlosen Wälder wird!

Dilara Dilmukhametova, 07.09.05