Was man im Zug für interessante Leute kennen lernt, habe ich ja schon in meinem letzten Artikel über das Zugfahren konkret anklingen lassen. Aber in diesem Artikel möchte ich die Entwicklung einer Zugbekanntschaft einmal etwas weiter ausführen. Es war noch in der Anfangszeit meines Russlandaufenthaltes, und mein Russisch war dementsprechend auch noch um einiges schlechter als es jetzt ist. Eigentlich sprach ich noch nicht wirklich Russisch. Wenn ich mich verständigen musste, dann tat ich das entweder auf Englisch, mit Hilfe eines Übersetzers oder natürlich mittels Körpersprache. Auf alle Fälle war diese Reise die erste Situation, in der ich wirklich mal auf mich allein gestellt war. Ich konnte meine Angst vor dem Sprechen überwinden, denn meine Mitreisenden hatten mehr Geduld mit mir und meinem Russisch als ich selbst. Eigentlich will ich aber nicht über die Entwicklung meines Russischs, sondern über eine meiner Bekanntschaften berichten.

Es war auf der Fahrt von Moskau nach St. Petersburg, Piter, wie man es hier nennt, in einem sowohl von außen, als auch von innen gefrorenem Zug. Dies hatte zwar den Vorteil hatte, dass keine Lebensmittel schlecht wurden, jedoch den Nachteil, dass auch die Getränke im größtenteils gefrorenem Zustand und damit nicht trinkbar waren. Dies machte aber letztendlich auch keinem etwas aus, da sowieso jeder freiwillig auf Tee umschwang. Die zwei Männer Alexej Kulik und Kostya Zdvigkov, von denen ich erzählen werde, reisten mit mir zusammen im Großraumabteil und waren für die nächsten knapp zehn Stunden meine Nachbarn. Gleich in der ersten halben Stunde war geklärt, wer ich bin und vor allem woher. Und sicherlich aufgrund dessen beschlossen die beiden Mitarbeiter der Firma Advantage mir etwas zu schenken. Ich verstand selbstverständlich nur die Hälfte, aber soviel, dass sie von einem Geschenk sprachen, verstand ich zu diesem Zeitpunkt schon. Und da sie die ganze Zeit auf mich einsprachen, war mir dann auch schnell klar, dass es ein Geschenk für mich sein sollte. Mir war das natürlich sehr unangenehm und unverständlich, warum zwei unbekannte Männer mir etwas schenken wollen, aber die beiden, Russen, schritten, nachdem ich nicht reagierte, zur Tat und stellten einen Karton voller vieler kleiner, hübscher Glassfiguren vor mich hin; „ich solle sagen, was mir gefällt“. Hmm…da es in Russland so schwierig ist nein zu sagen, man niemanden verletzen und nicht unhöflich sein will und die Tierchen echt toll waren, suchte ich mir eine schwarze Spinne aus. Ein letztes mal noch nahm ich Anlauf zu erklären, dass ein Geschenk nicht nötig sei. Aber nach dem schlagendem Argument, dass es „russische Tradition“ sei, welches ich schon mehr als genug gehört habe, gab ich dann auf, mich zu wehren und war um eine schwarze Glassspinne, die jetzt meinen Nachttisch ziert, reicher. Soweit mein Russischwortschatz es erlaubte, plauderten wir noch ein wenig und letztendlich luden sie mich in ihre Glassfabrik nach Piter ein.

Dieses Angebot konnte ich natürlich nicht ablehnen, und so machte ich mich eine Woche später mit zwei deutschen Freundinnen auf den Weg zu dieser Glassfabrik. Wir trafen uns mit Alexej und dem anderen der zwei Hauptchefs, Slava Kononov, der Firma, an einer Metrostation und fuhren dann ein Stück zu einer etwas abgelegeneren großen Halle, wo sich die kleine 16-Mann-Fabrik befindet. Natürlich hatte ich ein paar Fragen vorbereitet, aber meine fehlenden Russischkenntnisse erwiesen sich mal wieder als ein Hindernis. Ich war froh, dass ich die zwei Freundinnen dabei hatte, da sie zwar auch nicht perfekt, aber immerhin besser als ich Russisch sprachen und vor allem verstanden. Und so versuchten wir ein paar Fragen zu stellen und bekamen auch Antworten, für deren Korrektheit ich aber keine Garantie übernehmen möchte: Nach einer 3-jährigen Ausbildung kann man in diesen Industriezweig, der aus der Sowjetzeit stammt und früher ziemlich klein war, einsteigen. Inzwischen hat dieses Gewerbe immer mehr an Bedeutung zugenommen und sich zu einem „sehr guten Geschäft“ entwickelt. In diesem arbeitet Alexej inzwischen schon seit 3 Jahren. Die Firma Advantage an sich existiert in Piter erst seit 15 Jahren, und die Fabrik, die wir besichtigten, ist die größte von drei Fabriken in Petersburg. Aber von groß kann man dennoch nicht sprechen. Wenn wir alles gesehen haben besteht sie aus 3 Zimmern, wo nur in einem die Figuren angefertigt werden. Ringsum an den Wänden des kleinen Zimmers sind Arbeitsplätze eingerichtet, an denen die Mitarbeiter der Fabrik sitzen und per Hand, je nach Arbeitserfahrung und Lust und Laune Glasstierchen anfertigen. Die Herstellung erfolgt zum einen nach Vorgabe, und zum anderen haben die Mitarbeiter ziemlich freie Hand, obwohl natürlich klar ist, dass ein Anfänger nicht gleich mit den schwierigsten Dingen einsteigen kann. So haben wir alle drei z.B. eine Glassfigur geschenkt bekommen, für deren Herstellung eine Arbeitserfahrung von 15 Jahren notwendig ist. Das Kristallglas, welches aus Tschechien, zu einem Preis von 15-16 Dollar pro Kilogramm geliefert wird, wird zu allem Möglichen verarbeitet, was man sich vorstellen kann, so werden z.B. auch Automodelle und Motorräder mit einer Größe von 30 x 20 x 20 hergestellt. Die Herstellungsdauer variiert je nach Größe und Schwierigkeitsgrad von 12 Minuten, über 12 Stunden bis hin zu zwei Tagen. Verkauft werden die Figuren zum einen auf Märkten in Russland, und zum anderen werden sie nach Frankreich, Polen Deutschland und Amerika exportiert. In Russland kann man die Produkte von Advantage in den Fabriken zu einem Preis von 15-300 Rubeln kaufen, während die gleichen Figuren im Laden 3-4mal und im Ausland sogar 8-9mal so teuer sind (ca. 4-80 Euro).

Ich hoffe es ist verständlich, dass die Informationen über Advantage nicht sehr ausführlich sind, aber das, was wir wussten, haben wir gefragt. Und leider habe ich auch auf der Homepage www.advantag.ru keine weiteren Informationen zu den Produkten, der Firma und den Mitarbeitern gefunden. Wer Fragen zu diesem Gewerbe hat, kann gern über die Homepage Kontakt aufnehmen, und besonders über deutsche Geschäftspartner würden sich die Mitarbeiter sehr freuen.

Katrin Hennig