…, sie alle zu finden. Nicht nur J.R.R. Tolkien hatte ein Faible für Ringe. Auch die Tourismusexperten in der Sowjetunion sahen Ringe dort, wo keine waren. Als in den 50er Jahren Ausflugsziele für die lärmgeplagten Moskauer gesucht wurden, fand man sie im Nordosten der Metropole. Wer Moskau besucht, sollte unbedingt auch einen Tagestrip zum Goldenen Ring mit ins Programm nehmen.

Der Goldene Ring (russisch Золотое кольцо) besteht aus russischen Städten voller goldener Zwiebeltürme, mächtiger Kreml und altehrwürdiger Klöster. Im Mittelalter war die Gegend das Herz der östlichen Kiewer Rus, zu einer Zeit als Moskau nicht mehr als eine Ansammlung von paar Holzhäusern war. Daher gilt sie neben Kiew als Wiege der russischen Kultur. Wegen ständiger Fehden untereinander bemerkten die Städte des Goldenen Rings im späten Mittelalter nicht den Aufstieg des Moskauer Fürstentums und wurden von diesem bald aus der aktiven Politik verdrängt.

Hier kann man das vorsowjetische Russland entdecken. Die meisten Städte wurden während der Sowjetzeit von der Ansiedlung großer Industriekomplexe und der Errichtung riesiger Plattenbausiedlungen weitgehend verschont. So konnten sich bis heute Stadtbilder erhalten, die man aus den Beschreibungen der Romane der großen russischen Schriftsteller vor Augen hat. Man wird förmlich von der großen Anzahl an russlandtypischen Gebäuden erschlagen.

Allen voran in der kleinen Stadt Susdal, die als Perle des Goldenen Ringes gilt. Man hat den Eindruck, dass an nahezu jeder Straßenecke eine mittelalterliche Kirche mit Zwiebeltürmen in den verschiedensten Farben steht. Wieso die Russen ihre Kirchtürme mit zwiebelähnlichen Konstruktionen versehen, ist nicht eindeutig geklärt. Vermutet wird der kulturelle Einfluss aus der islamischen Welt, in der es üblich ist, Moscheen mit den gleichen Formen zu versehen. In Susdal scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Reich verzierte Holzhäuser mischen sich unter die Kirchen. Deren Türme spiegeln sich in dem ruhigen Flüsschen, das sich durch die schöne Landschaft mit ihren sanften Hügeln und blumenbedeckten Wiesen schlängelt. Besonders bekannt ist die schneeweiße Kathedrale im Kreml mit ihren fünf blauen Zwiebeltürmen, die mit goldenen Sternen verziert sind. Sie ist auch auf vielen Postkartenansichten Russlands zu sehen und wenn man sie das erste Mal erblickt, weiß man auch warum. Ein märchenhafter Anblick.

Wenn man den Goldenen Ring weiter entlang fährt, kommt man über Iwanowo und Kostroma nach Jaroslawl. Die Stadt wird von zwei Flüssen umschlossen, der mächtigen Wolga und der kleineren Kotorosl. In keiner anderen Stadt Russlands wird man mehr Zwiebeltürme finden. Die meisten Kirchen entstanden in der Zeit vom 17. bis 19. Jahrhundert, als lokale Kaufleute sich mit der Finanzierung der Gotteshäuser zur Verschönerung ihrer Heimatstadt gegenseitig übertrumpfen wollten. Eine der Hauptattraktionen der Stadt ist die Uferpromenade entlang der Wolga. Einige Bauwerke Jaroslawls sind auf dem 1000-Rubel-Schein abgebildet. In die Schlagzeilen geriet die Stadt vor zwei Jahren, als bei einem Flugabsturz nahezu die gesamte Mannschaft des Eishockeyclubs Lokomotive Jaroslawl ums Leben kam. Heute ist an dem modernen Eishockeystadion ein riesiges Plakat angebracht, auf dem die Namen und Porträts der Verstorbenen zu sehen sind.

Auf dem Rückweg nach Moskau kann man noch einen Abstecher nach Rostow Jaroslawski machen. Rostow ist eine der ältesten Städte Russlands, sie wurde 862 erstmals schriftlich erwähnt. Ursprünglich war sie Hauptstadt für die Kiewer Prinzen, die in das damals finno-ugrische Land kamen. In diesem Ort hat sich der mittelalterliche Kern nahezu vollständig erhalten. Die perfekt proportionierten Türme des Rostower Kremls erheben sich majestätisch über den Nero-See und bieten perfekte Fotomotive. Wer schließlich genug hat von der pittoresken Idylle Rostows und des Goldenen Ringes, kann sich dann wieder in das Großstadtgetümmel Moskaus schlagen.

David Witkowski, Mai 2013