Während wir in Ufa eintrafen, traf der Winter auf uns und sofort wurden wir, aus dem warmen Deutschland Angereiste, ergriffen von diesem wunderbaren Gefühl, welches die ersten Schneeflocken, die ersten eisigen Momente und das erste Schlittern auf zugefrorenen Wegen gewöhnlich bewirken. Wir bewunderten den meterhohen Schnee, erfreuten uns der winterlichen Atmosphäre und ließen uns blenden vom grellen Licht, welches der Schnee uns entgegenwarf. Mit unseren romantisch verklärten Eindrücken des russischen Winters standen wir allerdings allein, denn ganz Ufa sehnte sich nach dem Frühling und betonte überzeugend, dass dies hier der letzte Schnee sei, welcher im Grunde auch schon so gut wie zu tauen begonnen hätte.

Auch das polnische Zentrum von Ufa verkündete vergangenen Sonntag deswegen lautstark das Ende des Winters und das Anbrechen des Frühlings im Rahmen des Festes Zapusty (Запусты). Farbenfroh, blumenreich und traditionell polnisch bekleidet wurde der Frühling mit verschiedenen polnischen Liedern, Tänzen und Spielen herbeigerufen und begrüßt. Alt und gebrochen wirkte hingegen Deduschka Zima (Väterchen Winter), welcher gegen Ende der Veranstaltung symbolisch niedergeschlagen und vertrieben wurde. Schnee sei von nun an unerwünscht und so wurden auch die für Schneeflocken stehenden Luftballons lautstark zum Platzen gebracht.

Unter den auf polnische Art den Winter Verabschiedenden befanden sich sowohl Schulkinder und Studenten, als auch Lehrer und Dozenten der philologischen Fakultät der BGU. Schließlich bedarf es schon einiger Kräfte, um den russischen Winter zu vertreiben. Die Verabschiedung des Winters ist jedoch nicht das Einzige, was man mit diesem polnischen Kulturprogramm im Sinn hatte. Neben der Sehnsucht nach baldigen Eintreffen des Frühlings stand das Bewusstsein für eine enge Verbindung zwischen Polen, Russen, Baschkiren und weiteren in Ufa lebenden Volksgruppen und der Wunsch diese bestehenden Verbindungen zu vertiefen, zu nutzen und zu einem harmonischen Zusammenleben beizutragen.

Schließlich resultiert beispielsweise aus der spannungsreichen Geschichte der Polen und Russen ein Verhältnis, was der Kommunikation und dem Willen zum gegenseitigen Verständnis bedarf, um ein spannungsloses Zusammenleben zu ermöglichen. Und da man sich bezüglich des Wunsches nach einem baldigen Ende des Winters uneingeschränkt verstand, kommunizierte man an diesem Sonntag gemeinsam dem Winter sein Ende. Nach vollendeter Arbeit wurde dann fröhlich und optimistisch auf den nahenden Frühling angestoßen.

Als sich der Sonntag jedoch dem Ende entgegen neigte, begannen die Schneeflocken sich lautlos der Erde zu nähern und es wirkte fast so, als wenn der russiche Winter die ihm abschwörenden, polnischen Lieder nicht verstanden hätte. Hoffen wir für die Polen, dass zumindest bei ihnen Deduschka Zima die Botschaft erhalten und sich zurückgezogen hat.

Julia Glathe
März 2008