„Ihr seid doch verrückt! Ihr seid solche Psychos!“, war das einzige, was unserem Freund einfiel, der uns am Montagmorgen, den 5. Januar, um 8 Uhr früh an der Haltestelle der Elektritschka verabschiedete. Wahrscheinlich hatte er Recht. Wir hatten uns aufgemacht in die Natur, um die Schönheit des winterlichen Russlands zu genießen – am Lagerfeuer, im Wald, bei Schnee und bei ca. 14 Grad unter Null.Erst kürzlich wurde mir ein Mal mehr der Unterschied zwischen deutscher und russischer Art in der Abwicklung offizieller Angelegenheiten bewusst. Der Anlass war ein Besuch unseres Vermieters, der sich über den Stand der Dinge in seiner Wohnung informieren wollte.

Und so fuhren wir in der morgendlichen Dunkelheit, in der es durch die Müdigkeit gefühlt noch kälter war als all die Tage zuvor, bei frisch gefallenem Schnee, ein wenig skeptisch nach Ascha.

Dort angekommen erreichten wir nach einem überraschend kurzen Fußmarsch, auf dem wir allerdings zu unserem eigenen Erstaunen alle durchaus ins Schwitzen geraten waren, schon nach ca. 45 Minuten unseren Zielort: den Eingang einer unterirdischen Höhle!

Die zweite Überraschung an diesem Tag! Es sollte uns also mehr erwarten, als nur am Lagerfeuer zu sitzen und Photos von der verschneiten Natur zu machen. Nachdem es gelungen war auch im tiefsten Winter im Schnee ein Lagerfeuer zu entzünden und sich alle gestärkt hatten ging es los in die Höhle.

Der besondere Nervenkitzel lag hierbei nicht nur darin, dass man sich, um in die Höhle zu gelangen durch schmale Felsspalten quetschen musste, die teilweise nur auf der Seite liegend und mit eingezogenem Bauch zu passieren waren, sondern dass dieses Naturdenkmal in keiner Weise abgesichert war. Aber eben das machte die Besonderheit des Erlebnisses aus. Die absolute Natürlichkeit der beeindruckenden Höhle. Die ungeschwächte Naturgewalt, der man sich gegenüber sah.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich die ganze Zeit, die wir unter der Erde verbrachten, innerlich gezittert habe und sich dieses gesamte Adrenalin in dem Moment, als ich wieder an der frischen Luft stand in einem solchen Schwall über mich ergoss, dass ich vor Freude und Erleichterung beinahe nicht wusste wohin mit mir.

Trotz dieser teilweise bedrückenden Momente möchte ich dieses Erlebnis nicht missen und bin froh dass ich mich mehrmals auch gegen meinen eigenen Widerstand dazu habe überreden lassen tiefer und weiter in den Bauch des Berges vorzudringen. Letztendlich ist es gerade diese Natürlichkeit, die die Ausflüge in Russland zu einem solchen Erlebnis machen. Und zwar zu einem solch beeindruckenden Erlebnis, dass selbst ich, die nicht mal in Deutschland gern zelten geht, obwohl es dort noch eher noch sanitäre Einrichtungen gibt, mich dafür begeistern konnte und bis jetzt noch keinen einzigen Ausflug bereut habe.

Ulrike Geier, Januar 2008