Das sind wir!

Nach diesen elf Tagen wurden wir eine große, herzliche Familie. Ich konnte sechsundzwanzig neue Freunde gewinnen. Mit Tränen in den Augen fiel uns der Abschied voneinander schwer, und man wollte dieses kleine, aber niedliche Städtchen eigentlich gar nicht verlassen…

Okay, genug der Floskeln :)) Machen wir uns an die Arbeit und schreiben einen richtigen Artikel darüber.

Jeder EU-Freiwillige soll während seiner Arbeit an zwei Seminaren teilnehmen: an einem Einführungsseminar, das zwei Wochen dauert, und an einem Zwiaschenseminar, das fünf Tage dauert. Ich will von dem Ersteren erzählen.

Witzenhausen ist eine kleine Stadt im Herzen Deutschlands, unweit von Kassel. Dort findet man ruhige und gemütliche Gassen, Fachwerkhäuser, Pflasterstrassen, und überall wachsen Kirschbäume, denn das ist die wichtigste Exportware. Produzierendes Gewerbe gibt es nicht. Das Leben im Ort ist ruhig und gemächlich, und für die Polizei gibt es dort sicherlich wenig zu tun. Um die Stadt herum liegen malerische mitteldeutsche Landschaften. Hier sollte ich die nächsten elf Tage verbringen.

Was da alles passierte, lässt sich kaum beschreiben. Wenn ich detailliert über Warming-Up-Spiele, Seminare, Ausflüge und Freizeitaktivitäten schreibe, so wird man mich für langweilig halten. Ohne irgendwelche Floskeln zu erzählen, zu zeigen, mitzuteilen, dass wir nach dieser Zeit wirklich eine Familie, ein Team, eine Gemeinschaft, oder wie man es nennen mag, geworden sind, ist auf keinen Fall eine leichte Aufgabe. Aber ich werde versuchen…

Arbeitsprozess

Wir wurden in Zweibettzimmern untergebracht. Mein Nachbar war Grieche, namens Dimitri, ein wunderlicher lebenslustiger Bursche. Ich fand, er hatte Sommer, Wärme und Sonnenschein im Blut. Die italienischen Teilnehmerinnen nannten ihn aus Spaß „Sante Dimitri“, aber… :)))

Jeder Tag begann mit einem Warming-Up-Spiel, einer kleinen Übung zum Frischwerden und gegen emotionale Verschlossenheit. Glaubt mir, wenn siebenundzwanzig Erwachsene (ab zweiundzwanzig bis über dreißig) einfache Kinderspiele spielen oder im Chor sprechen simple Verse, so ist das nicht nur dumm, sondern auch sehr lustig :)) Wie automatisch will man sich danach miteinander unterhalten, lachen, und nach solchen Übungen sind Menschen einander einfach näher.

Das Programm war wirklich umfangreich. Jedoch wurden die Aufstehzeit, das Frühstück und das Morgenseminar immer weiter verschoben. Von Tag zu Tag standen wir später auf. Man scherzte, dass unser Morgenseminar erst um zwei anfangen würde. :))

Der Ausflug nach Kassel, die nächste Großstadt, blieb im Gedächtnis durch einen Besuch in einem wunderschönen Park. Diese riesige künstliche Einrichtung, bis ins Kleinste durchdacht, ideal zur Landschaft passend, inklusive der künstlichen Ruinen – all das ist die eindrucksvolle Frucht vieler Jahre Arbeit.

Lunch

Ein weiterer Ausflug führte uns ins Museum der deutsch-deutschen Grenze und hinterließ bei mir den gleichen Eindruck. Kaum zu glauben, es gab anderthalb Tausend Kilometer von der Mauer, um das eine Volk in zwei Teile zu trennen! Denn es war derselbe riesige Maßstab, dieselbe riesenhaften Ausgaben und man verstand, dass das Ganze hier jetzt zum Denkmal der Dummheit der Menschen geworden war.

Es war recht interessant. In den Seminaren erzählten wir von unseren Heimatländern, tauschten Erfahrungen aus, machten Präsentationen über unsere Projekte. Wir erzählten auch über uns selbst, sprachen von unseren Problemen und versuchten, Lösungen zu finden. Das Leben in Deutschland wurde besprochen und mit dem Leben in unseren Heimatländern verglichen. Außerdem lösten wir komplizierte moralisch-ethische Rätsel, wie Abigeil und Gregory (:-)… So, daß es also wirklich nicht langweilig war!

An dieser Stelle noch ein besonderes Wort zu unseren Veranstaltern. Das waren die vielleicht untypischsten Deutschen, die ich hier in Deutschland je getroffen habe. Sie waren sehr offen, ohne jegliche Überempfindlichkeit und Strenge… Die Distanz zwischen uns verschwand schon am ersten Tag und war nicht mehr zu merken. Dafür will ich mich bei ihnen herzlich bedanken, Tausend mal Danke! :))

Diese elf Tage sind fast unbemerkt wie im Fluge vergangen. Gerade eben noch kamen wir an und lernten uns kennen und schon im nächsten Moment ist der Tag des Abschieds gekommen. Klar, war es manchmal schwierig. Das eigene Ich wollte etwas Neues manchmal gar nicht „verdauen“. Stattdessen wollte es sich hinlegen und einfach nur so liegen bleiben. Aber das verging schnell, und die Erinnerungen sind nur die besten geblieben.

Es fehlt mir immer noch das französische „Halles kla“, das griechische „Cilli cicken“, das italienische „Nikse“ und „Warumo“. Mir fehlen auch unsere internationalen Abendessen. Ebenso fehlen auch die Ausgeglichenheit und Besonnenheit der Polen, das italienische Temperament, die griechische Lebensfreude, der französische Übermut. Mir fehlen einfach die bekannten Gesichter.

Kurzum, fehlen mir – schon – meine neuen Freunde.

Aber wir sehen uns bestimmt wieder. :)))

D. Mukhametkulow, A. Vasiliev, 01.04.06