Russland besitzt ein Schienennetz von über 85.000 Kilometern. Von der Ostsee bis zum Pazifik, vom Schwarzen Meer bis an den Arktischen Ozean. Die Größe dieses Landes ist unvorstellbar. Seine landschaftliche und kulturelle Vielfalt bleibt einzigartig. Seit Jahrhunderten zieht Russland Reisende und Abenteurer aus aller Welt an, die sich auf den Weg machen, seine unendlichen Weiten zu erkunden.

Heute ermöglicht es das Internet nahezu jedem, seine Reisen vom heimischen Sofa aus zu planen und zu buchen. Auch in Russland sind die Zeiten vorüber, in denen man sich an Fahrkartenschaltern die Beine in den Bauch stehen musste. So bietet das russische Bahnunternehmen RZD (Abk. für „Российские железные дороги“, zu Deutsch: Russische Eisenbahnen) auf seiner Website die Möglichkeit, Tickets online zu erwerben. Zusätzlich gibt es unzählige weitere Onlineportale, die Tickets nicht nur für die Bahnfahrten sondern auch für Flug- und Busreisen anbieten.

Wer von Deutschland aus Fahrkarten für Russland erstehen möchte, neigt allerdings häufig dazu, an der Zuverlässigkeit dieser russischen Unternehmen und am System „Onlinekauf“ zu zweifeln. Stattdessen fühlt man sich im Reisebüro seines Vertrauens sicherer oder beauftragt Freunde oder Verwandte, die Tickets vor Ort zu kaufen, denn an Schaltern der Deutschen Bahn sind keine Fahrkarten für den innerrussischen Verkehr erhältlich.

Baschkirienheute hat für seine Leser den Online-Ticketverkauf bei RZD und bei vier weiteren Anbietern getestet, um herauszufinden, ob solche Zweifel berechtig sind und welcher der Dienste besonders zu empfehlen ist. Neben RZD haben wir noch die Onlineplattformen von Mobiticket.ru, UFS, railwayticket.ru und dost.ru unter die Lupe genommen.

Um es vorwegzunehmen: Wer der russischen Sprache nicht mächtig ist und bisher auch keinerlei Erfahrungen mit russischen Zügen gesammelt hat, dem ist von der Onlinevariante eher abzuraten. Erstens ist keine der getesteten Seiten in einer englischen, geschweige denn einer deutschen Version verfügbar und zweitens sollte man bei der Auswahl der Platzkategorie schon in etwa eine Vorstellung davon haben, was einen bei der jeweiligen Klasse erwartet, sonst könnte die Überraschung bei Fahrtantritt ziemlich groß ausfallen.

Für alle anderen stellt die Internetseite „www.rzd.ru“ des russischen Bahnunternehmens die kostengünstigste und zuverlässigste Möglichkeit dar, eine Zugfahrkarte für den innerrussischen Verkehr zu erwerben. Erst Ende April hat das Unternehmen seine Homepage überarbeitet und deutlich übersichtlicher gestaltet. Man findet sich nun intuitiv spürbar besser zurecht

Beim ersten Onlinekauf ist, nachdem man seine Zugverbindung und die gewünschte Wagenklasse ausgewählt hat, einmalig eine Registrierung erforderlich. Dabei wird ein Benutzerkonto erstellt, über welches dann auch alle weiteren Ticketkäufe abgewickelt werden. RZD überzeugt mit der Möglichkeit, genau die Plätze zu reservieren, die man bevorzugt und auch die Bettwäsche kann für Fernzüge gleich dazu bestellt werden. Das klingt banal, ist aber leider bei anderen Anbietern nicht Standard. Die Preise entsprechen denen, die auch an einem normalen Ticketschalter zu bezahlen wären. Die Bezahlung muss mit einer VISA oder Master-Card Kreditkarte erfolgen. Hierbei ist zu beachten, dass der Bezahlvorgang nur erfolgreich verläuft, wenn die Kreditkarte für das „Verified by VISA“- bzw. das „MasterCard SecureCode“-Verfahren* angemeldet ist. Eine Anmeldung zu diesen Sicherheitsverfahren ist noch während des Bezahlvorgangs möglich und wird automatisch angeboten.

Nach der Bezahlung wird eine Seite mit den Daten der gebuchten Zugverbindung und einem Strichcode angezeigt, die ausgedruckt werden muss. !ACHTUNG! Dieser Ausdruck muss vor Fahrtantritt am Bahnhofsschalter oder an speziellen Automaten noch in die richtige Fahrkarte umgetauscht werden. Der Ausdruck allein gilt NICHT als Ticket. Das Umtauschen ist jedoch – entgegen anderslautender Gerüchte – kostenlos und hat bei drei Tests von Baschkirienheute an verschiedenen Bahnhöfen einwandfrei funktioniert.

Die anderen vier untersuchten Onlineportale Mobiticket.ru, UFS, railwayticket.ru und dost.ru stehen RZD bezügliche einer überschaubaren und benutzerfreundlichen Gestaltung der Internetseite in nichts nach. Unterschiede gibt es hingegen vor allem bei der Auswahl der gewünschten Plätze, den Preisen und bei den Zahlungsmöglichkeiten.

„www.mobiticket.ru“ kann allein damit punkten, dass man sich nicht einmal registrieren muss. Der Kauf kann auch ohne eigenes Benutzerkonto in nur wenigen Schritten abgewickelt werden. Spezielle Plätze können dagegen nicht reserviert werden. Man kann nur den Wunsch äußern, dass man die Fahrt nicht auf den Plätzen neben der Toilette verbringen möchte. Bettzeug ist in der Kategorie „Plazkart“ nicht bestellbar und im Preis auch nicht automatisch inbegriffen. Ab Wagenklasse „Kupe“ versteht sich der Endpreis inklusive Bettwäsche. Die Preise sind bei Mobiticket deutlich höher als bei RZD. Die saftigen Servicezuschläge betragen teilweise über 200 % des eigentlichen Fahrpreises. Dazu, wie diese Gebühren berechnet werden, gibt der Anbieter auf seiner Internetseite keine Auskunft.
Für die Bezahlung gibt es hier verschiedene Wege. Es werden leider nur Kreditkarten akzeptiert, die in Russland oder den baltischen Staaten ausgegeben wurden. Wer keine solche Karte hat, kann auf ein anderes Verfahren zurückgreifen. Dazu gibt der Käufer am Ende des Bestellvorgangs seine Handynummer an und ihm wird daraufhin eine SMS mit einem Code zugesandt. Innerhalb der nächsten drei Stunden kann man nun mit diesem Code an einen der in Russland an jeder Ecke zu finden Handyautomaten oder Handyläden gehen und dort das reservierte Ticket bezahlen. Nach drei Stunden verfällt die Reservierung.
Bei sechs Versuchen von Baschkirienheute stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter der Handyläden selten wissen, dass man bei ihnen nicht nur SIM-Karten aufladen, sondern auch Zugtickets bezahlen kann. Es bedurfte jedes Mal erst mehrerer Telefonate, in denen sich die Verkäufer in die Technik einweisen lassen mussten. Dementsprechend lange dauert dann auch das Bezahlen. Bleibt zu erwähnen, dass man auch den Beleg, den man hier erhält, vor Fahrtantritt am Bahnhof in eine richtige Fahrkarte umtauschen muss.

Bei „ufs-online.ru“ ist wieder eine Registrierung und damit das Erstellen eines Benutzerkontos nötig. Danach kann man aus allen noch verfügbaren Plätzen frei wählen. Bettwäsche ist nicht buchbar und es gibt auch keine Auskunft darüber, ob sie grundsätzlich im Preis enthalten ist. Wenn man zu dem Menüpunkt gelangt, bei der Name und Passnummer der Passagiere eingegeben werden müssen, taucht ein größeres – aber durchaus amüsantes – Problem auf. Die Internetseite besteht hartnäckig darauf, dass man einen Vatersnamen angibt und zwar in kyrillischen Buchstaben. Diese in Russland gebräuchliche Ergänzung des Vor- und Zunamens ist in Deutschland unüblich. Wer keinen Vatersnamen besitzt, dem bleibt an dieser Stelle nichts anderes übrig, als sich einen auszudenken, oder den Bestellvorgang abzubrechen.
Preislich ist UFS günstiger als Mobiticket, liegt aber trotzdem deutlich hinter RZD. Hier wird immerhin transparent gemacht, wie die Preise entstehen. Die zusätzlichen Gebühren sind gestaffelt nach der Höhe der Ticketgrundpreise. Nähere Informationen dazu gibt es online bei UFS.
Was den Bezahlvorgang angeht, so hat UFS erst kürzlich nachgerüstet und ermöglicht jetzt auch das bereits erläuterte Bezahlen per Handynummer. Theoretisch soll man auch mit der Kreditkarte zahlen können. Dazu muss die Kreditkarte aber erst in einem sehr merkwürdig anmutenden Verfahren bei UFS registriert werden. Hierbei führt UFS eine Kontrollabbuchung durch, überweist das Geld anschließend zurück und erst dann kann mit der so getesteten Karte auch die Fahrkarte bezahlt werden. Alle Versuche von Baschkirienheute, diese Prozedur erfolgreich zu durchlaufen schlugen fehl.

Das Onlineportal „www.railwayticket.ru“ ist UFS und Mobiticket im Prinzip sehr ähnlich, mit dem Unterschied, dass hier keinerlei unangenehme Überraschungen warten. Bettwäsche ist ab Kategorie „Kupe“ im Preis enthalten, bei „Plazkart“ ist sie gegen Aufpreis hinzu buchbar. Die Servicegebühren belaufen sich immer auf etwa 300 Rubel und bezahlt werden kann problemlos mit Kreditkarte oder per Handy.

Der letzte getestete Anbieter heißt „www.dost.ru“. Die Internetseite macht einen sehr exquisiten Eindruck, was sich dann auch in den Preisen niederschlägt. Trotzdem ist nicht ersichtlich, ob Bettwäsche im Preis enthalten ist, oder nicht.
Weiterhin wird hier mit einem „elektronischen Ticket“ geworben. Wer nun glaubt, man könne mit der ausgedruckten Onlinerechnung seine Reise antreten, wie es etwa bei der Deutschen Bahn oder im Flugverkehr möglich ist, wird enttäuscht. Am Ende des Bestellvorgangs muss Dost zugeben, dass der Service des elektronischen Tickets „derzeit nicht verfügbar“ ist. Stattdessen muss das Ticket sogar in einer Filiale abgeholt werden, oder wird gegen Gebühr per Post zugesandt. Dieser Service ist allerdings auf die Großstädte Moskau und Sankt Petersburg begrenzt. Bezahlt werden kann per Kreditkarte oder bar bei Abholung.

Vor allem der Preis spricht also eindeutig für das Original, das Onlineportal der russischen Bahn. Nur wer keine Kreditkarte besitzt, für den bietet sich das Bezahlsystem per Handy bei den anderen Anbietern als Alternative an. Für den Ticketkauf von Deutschland aus ist dieses Verfahren allerdings nutzlos, denn wer könnte schon innerhalb von drei Stunden einen russischen Handyautomaten erreichen. An der Zuverlässigkeit der russischen Unternehmen besteht indes kein Zweifel. Wer die technischen Schwierigkeiten beim Onlinekauf überwunden hat, der kommt auch ganz bestimmt zu seinem Ticket. Baschkirienheute wünscht allen eine gute Reise.

* MasterCard SecureCode und analog dazu Verified by Visa sind neue Sicherheitsverfahren für die Kreditkartenzahlung im Internet. Durch die Abfrage eines Kennwortes soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Käufer auch tatsächlich um den rechtmäßigen Inhaber der Kreditkarte handelt. Dieses Kennwort kann man über seine Bank beziehen, oder man legt es während des ersten Onlinekaufs mit dem neuen Sicherheitsverfahren selbst online fest.

Tobias König, Mai 2010