Im russischen Kalender werden zwei Tage rot markiert – der 23. Februar und der 8. März. Zwei feierliche Anlässe zum Hochleben der Geschlechter.

Den 23. Februar feiern die russischen Männer als den „Tag der Verteidiger des Vaterlandes“. Leo Trozkij unterzeichnete am 23. Februar 1922 ein Dokument, das an die Gründung der Roten Armee am 23.2.1918 erinnern sollte. Seit dem wurde der Tag jedes Jahr als der „Tag der Sowjetarmee“ groß gefeiert und blieb – jedoch unter einem anderen Namen – bis heute erhalten. Inzwischen zelebrieren ihn nicht nur die Kriegsveteranen sondern alle Männer. Oder sollte man eher sagen, dass sich die Herren von ihren Frauen feiern und hochleben lassen? Diesen einen Tag im Jahr darf sich jeder Mann endlich wie ein kleiner oder großer Held fühlen und den Dank der Nation durch das weibliche Geschlecht genießen. „Feiertage, wie insbesondere den Männertag mehr als überflüssig, da man sich schließlich jeden Tag eine Aufmerksamkeit machen kann“. Dennoch passte er sich der Situation vor Ort an und war den kalorienreichen Männertagsgeschenken am Ende gar nicht mehr abgeneigt.

Dass am 23. Februar 1944 die von Stalin angeordneten Massendeportationen von Tschetschenen und Inguschen im Kaukasus begannen, wird bei den pompösen Galaveranstaltungen im Fernsehen und Festtagsreden verschwiegen. Scheinbar interessiert die Mehrheit der Russen die Geschichte nicht. „Es ist einfach ein Anlass zum Feiern. Ich will nicht, dass der Tag von irgendwelchen geschichtlichen Ereignissen überschattet wird“, so Romans Meinung zur Verdrängung der Tatsachen. Stattdessen bereiten schon Wochen vor besagtem Tage häusergroße Werbetafeln und Fernseheinspieler auf den kommenden großen Tag vor. Und so feiern die „Helden der Nation“ ausgelassen ihren Männertag.

“Das Geschenk zum Frauentag hängt übrigens von den Aufmerksamkeiten am Männertag ab”, erwähnt mein russischer Freund eine Woche vor dem 23.2. ganz unauffällig.

Der 8. März ist zwar offiziell als Internationaler Frauentag ausgeschrieben, besonders ausgelassen wird er vor allem in Russland gefeiert. Es handelt sich hierbei um eine Mischung aus Valentinstag und Muttertag – ein traumhafter Tag der Weiblichkeit, Liebe, Blumen und Aufmerksamkeit. Als Nationalfeiertag ist der Weltfrauentag in Russland arbeitsfrei und bietet den Männern und Kindern genügend zeitlichen Spielraum, ihre Frauen den ganzen Tag zu umschwärmen und zu verwöhnen. Dabei werden nicht nur Geliebte und Ehefrauen beschenkt, sondern gerade auch Geschäftspartnerinnen und Arbeitskolleginnen.

Für die Blumenhändler ist der Tag ebenfalls ein ganz besonderer. Blumen in Hülle und Fülle für jede Frau! Am beliebtesten sind dabei Tulpen und Mimosen. Eine Umfrage des Russischen Zentrums für Meinungsforschung (WZIOM) fand heraus, dass Blumen definitiv das beliebteste Geschenk sind. 54% der Männer schenken Blumen zum Weltfrauentag und 44% der Frauen wünschen sich Blumen (Stand 2010). Wahrscheinlich aalt sich jede Frau an diesem Tag in der Freundlichkeit ihrer männlichen Mitmenschen, wo sie doch sonst oft gegen Ungerechtigkeiten und die weibliche Konkurrenz zu kämpfen hat.

Laut Umfrage des WZIOM gilt der Weltfrauentag sowohl bei Frauen (91%), als auch bei Männern (82%) als wichtigster persönlicher Feiertag im Jahr (Stand 2008). Meine Freundin Alsu kommentiert diese Umfrage: „Der 8. März ist definitiv der wichtigste Festtag für mich. Ich erwarte Geschenke und Aufmerksamkeiten von meinen männlichen Mitmenschen, vor allem von meinen liebsten Bekannten. Einmal im Jahr will ich mich verehrt fühlen“. Auch Franziska, eine deutsche Freundin, die den Frauentag das erste Mal in Russland erlebt hat, sagte dazu: „Ich finde es sehr gut, dass solche Feiertage fest im Kalender verankert sind. Während man in Deutschland irgendwelche ausgedachten, konsumbelasteten Feste wie Valentinstag oder Muttertag feiert, nutzt man die Feiertage in Russland zur Gemeinschaft. Gemeinsam anstoßen und sich eine Freude machen, das ist schön. Ich mache gerne Aufmerksamkeiten und bekomme gerne welche. Dafür sind Männer- und Frauentag doch perfekt“.

Ein russisches Sprichwort bekräftigt das Bild, in Russland gäbe es immer einen Grund mehr zum Feiern. Ob bei Wodka oder Festen: „Zwischen dem Ersten und dem Zweiten gibt es nur eine kleine Pause“ (Мехду первой и второй промежуток небольшой). Doch neben hartem Arbeitsalltag und zähem Winter hat sich das feierfreudige russische Volk den einen oder anderen Feiertag redlich verdient. Wer arbeitet, der kann auch feiern. Und das beherrscht der Russe wahrlich beides gut.

Julia Hoppe, März 2010